Berlin (scp) – Wer für sich selbst oder für pflegebedürftige Angehörige ein Pflegeheim sucht und sich dabei auch für die Pflegequalität interessiert, ist derzeit auf die sogenannten Pflegenoten angewiesen. Es gibt nur sehr wenige Heime, die kein „sehr gut" oder nicht wenigstens ein „gut" erreichen. Die Durchschnittsnote auf der Bundesebene liegt derzeit bei 1,2, weisen die Forscher um Projektleiter Dr. Klaus Wingenfeld, Geschäftsführer des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW), hin.
Unter deren Federführung wurde in den vergangenen anderthalb Jahren ein grundlegend neues Konzept für eine realistische Qualitätsbeurteilung in der vollstationären Pflege entwickelt, das die sogenannten Pflegenoten ablösen soll (wir berichteten bereits mehrfach). Die Entscheidung zur Ersetzung dieser wurde durch den Deutschen Bundestag Ende des Jahres 2015 erteilt.
Mit dem neuen Konzept soll die ursprüngliche Idee, für Qualitätstransparenz in der Öffentlichkeit zu sorgen, umgesetzt werden, heißt es seitens der Bielefelder weiter. Der dafür zuständige Qualitätsausschuss Pflege beauftragte das Bielefelder IPW und das Göttinger Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQua-Institut), das dazu notwendige Entwicklungsprojekt durchzuführen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiteten mit zahlreichen Expertinnen und Experten aus den Reihen der Qualitätsprüfung, der Pflegeheime, der Pflegekassen sowie mit Vertreterinnen und Vertretern der Belange pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen zusammen, um das neue Konzept zu entwickeln. Nun haben sie dem Qualitätsausschuss Pflege ihren Bericht vorgelegt, der eine grundlegende Neuausrichtung der Qualitätsprüfungen und der öffentlichen Qualitätsberichte vorschlägt.
Eine wichtige Neuerung besteht in der Einführung einer Qualitätsbeurteilung mit Hilfe von Kennzahlen, die das IPW ursprünglich schon 2009/2010 im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums entwickelt und in den Folgejahren in zahlreichen Pflegeheimen erprobt hat.
„Diese Kennzahlen geben Auskunft über die Versorgungsergebnisse einer Einrichtung und ermöglichen damit eine vergleichende Qualitätsbeurteilung, die es hierzulande bislang nicht gab", so Wingenfeld. „Dabei steht nicht die Struktur- und Prozessqualität, sondern die Frage nach der Situation der Bewohnerinnen und Bewohner im Mittelpunkt. Es geht etwa darum, wie gut es gelingt, Mobilitätsverlust, Sturzverletzungen, die Entstehung von Druckgeschwüren oder den Einsatz freiheitseinschränkender Maßnahmen zu vermeiden".
Die Ergebnisse der externen Qualitätsprüfungen bleiben weiterhin ein weiteres wichtiges Standbein der Qualitätsbewertung. Sie werden durch die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) oder den Prüfdienst der Privaten Krankenversicherung durchgeführt. Doch auch hier kommen neue Kriterien und Methoden zum Einsatz.
Wingenfeld: „Wir haben versucht Ballast abzuwerfen und die Fehler im alten Prüfsystem zu vermeiden. Qualitätskriterien, die sich nicht bewährt haben, bleiben außen vor. Außerdem gibt es neue Bewertungsmethoden. Zukünftig soll zum Beispiel vermieden werden, dass die Pflegedokumentation den Ausschlag für die Qualitätsbewertung gibt. Das Fachgespräch mit den Pflegekräften und Gespräche mit Bewohnerinnen und Bewohnern sollen aufgewertet werden".
Wird der Vorschlag der Wissenschaftler umgesetzt, werden die zukünftigen „Qualitätsdarstellungen" mehr Informationen über ein Pflegeheim enthalten als die heute veröffentlichten Berichte. Neben den angesprochenen Qualitätskennzahlen und Prüfergebnissen zählen dazu auch Informationen über die Ausstattung und besonderen Angebote eines Pflegeheims. Der Qualitätsausschuss Pflege hat angekündigt, dass der neue „Pflege-TÜV" im Laufe des Jahres 2019 umgesetzt werden soll. Dann wird eine ähnliche Neuerung für die ambulante Pflege folgen – auch daran ist das Bielefelder Institut für Pflegewissenschaft beteiligt.
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